Bruno

Ich habe meinen Roman „Der Schwarze Wal“ meinem Großonkel Bruno gewidmet, der im Zweiten Weltkrieg umkam – „mein“ U 45 ist der fiktive Nachfolger seines U-Boots.

U 45/Bundesarchiv.
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en

Brunos Tod war Irrsinn, tragisch und dennoch typisch.

Er starb durch Wasserbomben. Lothar-Günther Buchheim berichtet in „Das Boot“ von ihnen: Allierte Zerstörer warfen mit Sprengstoff gefüllte Metallfässer ins Meer. Diese Wasserbomben sanken mit mehreren Metern pro Sekunde und zündeten bei einer zuvor eingestellten Tiefe. Wasserbomben oder Wabos mussten nicht genau treffen. Explodierten sie innerhalb eines gewissen Radius’, sorgte die Druckwelle für ein Zerbersten des U-Boots (die Darstellungen im Film und Serie „Das Boot“ sind also falsch: dort explodieren die Wabos direkt am U-Boot, das hätte in Wirklichkeit die sofortige Zerstörung bedeutet). Riss der etwa 50 Meter lange Druckkörper nur minimal auf, lief er aufgrund des Wasserdrucks in drei Sekunden voll, heißt es weiter. Wie es ganz genau abläuft, weiß man natürlich nicht, jedenfalls, Großonkel Brunos Boot wurde unter Wasser mit Wasserbomben zerstört, er soff ab.

Ich weiß nicht viel über Bruno. Es hieß, er wollte die Welt sehen und ging darum zur Marine. Schon vor dem Krieg trat er ein, die Nazis fand er womöglich auch ganz gut (Bruno war Jahrgang 1917 und im empfänglichen Alter für Nazirhethorik).

Indienststellung U-45 am 25.06.1938. Mit Bruno irgendwo.

Zu Kriegsbeginn diente er auf U 45. Er war an Bord, als es zu einer der ersten U-Boot-Feindfahrten des Krieges überhaupt auslief. Die Reise im September 1939 verlief ohne Ereignisse, doch während der zweiten im Oktober versenkte U 45 zwei Schiffe südwestlich von Irland, als es einen britischen Geleitzug angriff. Sieben Mann kamen auf den Schiffen um, ein Fanal für das, was kommen sollte: In den folgenden Atlantikschlachten attackierten deutsche U-Boote im Rudel alliierte Geleitzüge und versenkten tausende Schiffe. Viele zehntausend Menschen starben.
Aber das erlebte Onkel Bruno nicht mehr. Die Attacke seines U-Boots bedeutete nämlich auch dessen Untergang. Mehrere Geleitzugbewacher machten Jagd auf U 45. Einem oder vielleicht zwei Zerstörern konnte ein U-Boot getaucht entkommen, aber Brunos Boot hatte Pech, es waren vier. Mindestens eine Wasserbombe explodierte irgendwo innerhalb des tödlichen Radius‘, und das U-Boot soff mit Mann und Maus ab. U 45 war das erste Boot des Krieges, das ohne einen Überlebenden sank. Hunderte sollten ihm in den nächsten fünfeinhalb Jahren folgen. Großonkel Obermaschinist Bruno Nitschke wurde 22 Jahre alt. Es war der 14.Oktober 1939.

Bildmitte: Brunos Eintrag auf einer Gedenktafel aller versenkten U-Bootfahrer im U-Bootdenkmal Laboe. Unten nach dem Absatz: Eintrag für den „Stier von Scapa Flow“. Seeheld Günther Prien wurde 1941 versenkt.

Das Schicksal von U 45 wäre nicht ganz so  schnell in Vergessenheit geraten, hätte nicht ein Ereignis genau am selben Tag alles überstrahlt: U 47 unter Günther Prien drang in den Stützpunkt von Scapa Flow ein und versenkte ein Schlachtschiff. Ein besonderes Leckerli für die Nazi-Propaganda.

Mein Vater am Ruderblatt von U 995, U-Bootdenkmal Laboe (1987). Auch einer, dem ich das Buch gerne präsentiert hätte.

 

Ich wurde gefragt, warum ich in der Widmung „untergegangen in einem schlechten Krieg“ schrieb („Für meinen Großonkel Bruno Nitschke, mit U 45 untergegangen am 14.10.1939 in einem schlechten Krieg“). Gibt es denn gute Kriege, ist ein „schlechter Krieg“ nicht eine Tautologie? Alles richtig. Dennoch habe ich mich bewusst so entschieden. Zum einen wollte ich keinen Zweifel daran lassen, dass ich Kriege eigentlich ablehne, obwohl ich über ein militärisches U-Boot schreibe. Zum anderen hat die Wortwahl einen wütenden Beigeschmack: Ich hätte Bruno wirklich gerne kennengelernt. Er war jemand, der die Welt sehen wollte, und vielleicht nur ein verführter, im Herzen lieber Kerl und Abenteurer? Jemanden zu vermissen, den ich nie kannte ist sicher sentimental. Aber auch das sind Kriege: Die Folgen sind in späteren Generationen noch spürbar.