Die Pest der See

Mit gutem Grund schauten Menschen früher in die Ferne: Was auch passieren mochte, es würde aus der Horizontalen geschehen: Von dort hinter der Kimm würde der Geliebte erscheinen, das Postschiff mit den sehnsüchtig erwarteten Briefen kommen, das neue Land auftauchen. Es würde dauern, aber  passieren – in der Regel.

Heute schauen die Menschen nach oben. Auf die Anzeigetafel.

Es ist etwas verloren gegangen auf unserem Weg in die Zukunft. Wir fahren und fliegen nach Land XY; bei einem längerer Aufenthalt gehen wir dorthin.  Aber wir reisen nicht mehr. Wir haben unsere Muße verloren.

Darum habe ich mit „Der Schwarze Wal“ ein Seefahrts-Abenteuer geschrieben, in dem moderne Leute  in einer Zeitreise die verlorene Welt der Langsamkeit wieder entdecken. Man könnte mich einen Schiffahrts-Romantiker nennen, aus der Zeit gefallen. Doch es gibt Gründe – und zwar gigantische – die mir recht geben:

Kreuzfahrtschiffe. Die Pest der See.

Vergeblich haben Rebellen diese Schande der Meere in die Luft jagen wollen. Die Rakete steckt noch.

Nie war Schiffahrt hässlicher, nie industrieller, nie schmutziger.  Die Riesenschiffe stoßen am Tag Abgasemengen aus, die ganze Großstädte nicht schaffen.

Kreuzfahrtschiffe – Wenn sich Computer einen weiblichen Hammerhai vorstellen.

Wer macht auf schwimmenden Plattenbauten freiwillig Urlaub? Wie abstoßend ist dieser Trend, Riesenkolosse zu bauen, um immer mehr Menschen einzupferchen, die dann in Armeestärke in Venedig oder Palma einfallen, Städte, die sowieso schon geplagt sind von Massentourismus? Hat irgendjemand sich Gedanken gemacht, wie Beschäftigung und Bezahlung auf solchen Schiffen aussieht? Nein? Schlecht sieht sie aus! Geradezu bescheiden.

Moderne Kreuzfahrtschiffe verursachen Augenkrebs, sind abnormal und ein menschliches Statement der Verachtung der Natur.

Wer auf diesem Etwas Urlaub bucht, glaubt auch, Furzen vor der Queen sei schick.

Selbstverständlich träume ich von Segelschiffen! Von einer Zeit, in der das Meer dem Menschen noch etwas bedeutete, und sei es nur aus Respekt. Als Ästhetik noch Sinn besaß!

Aber ist es unmöglich, den Fortschritt rundheraus abzulehnen. Er ist nun einmal da und wir profitieren ja auch. Elon Musk, der Tech-Pionier, verspricht den Aufbruch ins Weltall, mindestens zum Mars (er möchte dort begraben werden, heißt es). Bei aller Problematik des digitalen Fortschritts – das ist romantisch.

Ich glaube jedenfalls schon lange, dass ich genau in der falschen Zeit geboren bin: Heutzutage bietet die Seefahrt keine Abenteuer mehr und die Raumfahrt noch nicht.

Jedenfalls schaue ich lieber in die Ferne, als nach oben.

Dieser Artikel ist auch Teil der Blogparade „Europa und das Meer“ des
Deutschen Historischen Museums.

2 Antworten auf „Die Pest der See“

Kommentare sind geschlossen.